THEO ALTENBERG

ARTIST | WRITER

Filmarchiv Wien,
Metrokino

Freitag 11.3.2011 18.00 h

Podiumsgespräch
“Spielfilme der Kommune Friedrichshof 1983 - 1993″

Theo Altenberg arbeitet in den Medien Photographie, Video, Performance, Sprache und Malerei. Hauptdarsteller als Vincent van Gogh, Pablo Picasso, Richard Gerstl und Andy Warhol in den Filmen Vincent, Picasso, Back to fucking Cambridge und Andy´s Cake.

Martin Fichter ist Kulturredakteur bei der Austria Presse Agentur (APA).

Herbert Stumpfl, Aktionist, Literat, Performance-Künstler.

Werner Hertel, freiberuflicher Kameramann und Cutter.

Brigitte Marschall, Professorin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Uni Wien.

Terese Schulmeister, seit 1972 am Aufbau des radikal-utopischen Gesellschaftsmodell am Friedrichshof mitwirkend, Regisseurin der Friedrichshof Spielfilme.
Filmprogramm

VINCENT, A 1984, 85 Minuten
REGIE Terese Panoutsopoulos-Schulmeister
KAMERA/SCHNITT Werner Hertel
MIT Theo Altenberg, Günter Brus, Francesco Conz, Philipp Corner, Desiato/Erich Fischer, Johannes Gachnang, Pierive Gabioud, Friedrich Geyrhofer, Friedrich Götz, Judith Goldblat, Joachim Goppelt, Al Hansen, Emmi Hudzinsky, Kurt Kalb, Robert Koch, Klaus Kossian, Fatma Lootah, Otto Muehl, Erika/Gigi/Silvestre Micheli, Hans Niederbacher, Hermann Nitsch, Oswald/Rosemarie/Nikolaus/Raphael Oberhuber, Janis Panoutsopoulos, Orlan/Ruth Rausch, Francesco/Violaine Roussies, Rudi Schmutz, Berta/Schlomo Skopik, Herbert/Lucie Spiewok, Pauli Steiner, Herbert Stumpfl, Walter Weissensteiner

VINCENT erzählt Stationen der Lebensgeschichte von Vincent van Gogh aus dem Lebensgefühl der Muehl-Kommune Friedrichshof. Van Gogh wird zur Symbolfigur des anarchischen Künstlers, könnte dem Experiment dieser Gemeinschaft, freie Sexualität, Gemeinschaftseigentum, gemeinsame Kindererziehung und exzessive Selbstdarstellung als Vorbild gedient haben. Licht und Sonne, die leuchtenden Farben der Kornfelder und Sonnenblumen strömen ein in die filmische Bilderwelt, aus der uns der Laienprediger Vincent entgegentritt. Exzentrisch, fordernd und spielerisch wie ein Kind überschreitet er die Geschlechtergrenzen. Nach einer depressiven Phase schlägt er sich als Maler durch, arbeitet exzessiv in Arles, bis er sich in einem Anfall das Ohrläppchen abschneidet und mit Gurkerl und Ei als Materialaktion serviert. Befreiung und Selbstdarstellung in der künstlerischen Malaktion schreiten voran, explodieren in der Selbsttötung und lassen ihn als Kunstwerk mit der Landschaft verschmelzen. Der Film lebt Improvisation, den Möglichkeitssinn des Daseins, preisgegeben seiner faunhaften Übersteigerung. (bm/mf)

PICASSO, A 1986, 60 Minuten
REGIE Terese Panoutsopoulos-Schulmeister
BUCH Otto Muehl
KAMERA/SCHNITT Werner Hertel
MIT Theo Altenberg, Alberto Alvim, Günter/Anni Brus, Francesco Conz, Philippe Corner, Karl Heinz Frey, Friedrich Geyrhofer, Jean Pierre/Judith Goldblat, Joachim Goppelt, Eva Huss, Kurt Kalb, Dieter Reichert, Francoise/Violaine Roussies, Hans Schröder, Adam Stumpfl, Lili Weissensteiner

Wie der kurz zuvor entstandene Kinderfilm DER MALER PABLO PICASSO widmet sich auch PICASSO parodistisch dem Leben des spanischen Malers. Allerdings fokussiert das Ensemble um Theo Altenberg auf den späten Picasso und seine amourösen Verstrickungen mit den jüngeren Geliebten Françoise Gilot und Jaqueline Roque. Zugleich werden am Überkünstler Picasso auch wieder die Kommunenthemen Kunst und deren Kommerzialisierung abgehandelt, wenn der zunehmend erfolgreiche Maler nur mehr für den Kunstmarkt und nicht ob seiner selbst arbeitet. Durchsetzt ist die narrative Struktur mit metaphorischen Einkerbungen, wenn Dalí Picasso das Auge auslöffelt, um besser sehen zu können, sich Ernst Jünger in SS-Uniform von ihm porträtieren lässt oder die geschäftstüchtige Roque den rasenden Maler mit einem roten Tuch wie einen Stier leitet. (bm/mf)

BACK TO FUCKING CAMBRIDGE. EIN FILM ÜBER DAS WIEN DER JAHRHUNDERTWENDE, A 1987, 60 Minuten
REGIE Terese Panoutsopoulos-Schulmeister
BUCH Otto Muehl
KAMERA/SCHNITT Werner Hertel
MIT Theo Altenberg, Lucio Amelio, Christian Ludwig Attersee, Annie Brus, Günter Brus, Horst Christoph, Georg Jiri Dokoupil, Helmut Federle, Erich Fischer, Rudi Fuchs, Johannes Gachnang, Judith Goldblat, Tito Gonzales, Joachim Goppelt, Franz Graf, Gotthard Graubner, Emmi Hudzinsky, Kurt Kalb, Maria Lassnig, Viktor Matejka, Claudia Muehl, David Muehl, Otto Muehl, Gundula Neumann, Oswald Oberhuber, Michael Oetker, Rafael Ortiz, Nam June Paik, Berta Reichert, Dieter Reichert, Nadja Reyne, Dieter Roth, Norman Rosenthal, John Sailer, Gerd Saupe, Jochen Schmidt, Lisl Stein, Herbert Stumpfl, Harald Szeemann, Wilfried Zeller-Zellenberg

Dieser Spielfilm der Kommune Friedrichshof ist im Wien der Jahrhundertwende angesiedelt und beschwört die Erinnerung an übermächtige Tote: Kubin, Schiele, Freud, Wittgenstein, Schönberg und andere, die von Künstlern aus dem Umfeld der Kommune und der Wiener Aktionisten dargestellt werden. In die idyllische Atmosphäre – die ersten Einstellungen zeigen lichte Landschaften mit dem Kaiser zujubelnden Menschen – dringen tableauartig existenzielle Exzesse ein. In den eigenen lüsternen Begierden eingesperrt, tauchen die Figuren wie aus einem Panoptikum auf. Subjektive Empfindungen werden als plakative Äußerlichkeiten bloßgelegt. Die philosophische, künstlerische und geistige Entwicklung steigert sich exzessiv, verzerrt Gedankengebäude, Malakte und Kompositionen in Rollenspielen und Aktionsanalysen. Das Handlungsgerüst folgt kurzen Lebensphasen der Figuren, bizarr übersteigert wird das Motiv lüsterner Beziehungsgeflechte wiederholt. Die Intensität der Gestaltung wird zu einem distanzlosen Spiel mit Trieben und Affekten. (bm/mf)

ANDY’S CAKE, A 1993, 46 Minuten
REGIE Terese Panoutsopoulos-Schulmeister
BUCH Otto Muehl
KAMERA/SCHNITT Heinz Brandtner, Sandro Decleva, Peter Gold, Johannes Holzhausen
MIT Theo Altenberg, Edek Bartz, Herbert Brandl, Josef Danner, Georg Jiri Dokoupil, Friedrich Geyrhofer, Lorand Hegyi, Kurt Kalb, Martin Kippenberger, Hubert Klocker, Ursula Krinzinger, Adolf Krischanitz, Maria Lassnig, Cary Leibowitz, Otto Muehl, Hermann Nitsch, Konrad/Oswald Oberhuber, Albert Oehlen, Nam June Paik, Martin Prinzhorn, Peter Raue, Violaine Roussies, Heinrich Steinek, Peter Weibel, Hans Weigand, Heimo Zobernig

In ANDY’S CAKE arbeiten sich Muehl und seine Kommune an dem ungleich berühmteren Künstlerkollegen Andy Warhol ab. Gemeinsam mit einem Gutteil der in Österreich renommierten Künstler entwirft man eine kurzweilige Szenenfolge aus der Factory. In absurden Episoden holt etwa Jack Nicholson (Adolf Krischanitz) als Chef eines OP-Teams den toten Warhol ins Leben zurück, während Nam June Paik als Priester ihm eine buddhistische letzte Ölung erteilt. Ähnlich wie in PICASSO ist ein Hauptmotiv des bunten Treibens jedoch die Frage nach der Kommerzialisierung von Kunst und der Motivation zu expressiver Arbeit, wenn etwa Warhols Stuhlgang von Apologeten direkt aus der Toilette gekauft wird oder Oswald Oberhuber die Malweise Jackson Pollocks imitiert und Farbe mit den Füßen auf der Leinwand verteilt. Die Erlösung und -leuchtung erfährt der Szenekünstler schließlich erst, als er in Schloss Prinzendorf erscheint und sich von Hermann Nitsch eine Blutorgie wünscht. Beim anschließenden Exzess des Orgien-Mysterien-Theaters wird Warhol wieder zum toten Künstlermaterial. (bm/mf)